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Stephan Rößler

Leitung der Schwenninger Museen und Städtischen Galerie

Jedes fotografische Bild ist ein gewaltsamer Eingriff. Es reißt einen bestimmten Augenblick aus dem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang und erhebt dennoch den Anspruch auf Ewigkeit. Marie Zbikowskas komplexe Arbeiten stilisieren diesen Verlust zum künstlerischen Ereignis. In ihrer Rauminstallation „Kapsel“  hinterfragt sie das generelle Versprechen von Ewigkeit, indem sie Objekte plastisch als Zeitkapseln formt und diese Abbilder einer Internetsuche von Zeitkapseln gegenüberstellt. Weder die Objekte selbst, noch das „einmal dagewesene“ (Roland Barthes) ihrer Abbildungen, können der eigentlichen Erinnerungsfunktion gerecht werden. Durch die zwei Videoarbeiten wird dieses Bewusstsein noch unterstrichen, da deren Unterschreiten der gewohnten Bildwiederholfrequenz nicht nur an Filme aus der Vergangenheit erinnern, sondern auch auf die Entstehungsform des Bewegtbilds verweisen. Dieses entsteht schließlich nur durch die millisekündliche Überlagerung von vergangenen Bildinhalten. Die Form des Kreises ist ebenso die Verbindung der beiden Videobilder, wie das besondere Moment des Formerischen, welches durch die Energie der Beinbewegungen angedeutet wird. Dieselbe Scharnierfunktion übernimmt auch die am Boden arrangierte Gipsform zwischen den vorgeblendeten Plastiken und deren gehängten Abbildern.

Die Stärke der Arbeiten von Marie Zbikowska ist also nicht nur, dass sie mit ihrer gattungsübergreifenden Auseinandersetzung einen neuen Beitrag in den – durchaus prominent besetzten – künstlerischen Diskurs zu bildinhärenten Eigenschaften und Erinnerungskultur formuliert, sondern sie führt mit ihrer formerischenDenk- und Arbeitsweise auch eine neue Perspektive ein. So wie die dysfunktionalen Tischbeine aus ihrer Arbeit der Serie „Ein Stück“, die aus Beton gegossen sind und ihren Entstehungsprozess offenlegen. Als Objekt an die Wand gelehnt, wirken diese so deplatziert und ihrer Funktion behoben, wie der hinter einer Glaswand im Innenraum inszenierte und konservierte Mineralsteinbrocken, den die Künstlerin als bildwürdig festhält. Bei beiden Formen wurde der eigentliche Inhalt zu Gunsten einer ästhetischen Praxis vernachlässigt und durch einen formerischenProzess ersetzt. Die Inszenierung des Fensters in dieser Fotografie, welches nicht nur die Funktion des Widerspruchs zwischen Innen- und Außenwelt unterstreicht, sondern auch als Lichtquelle die Entstehung dieser Aufnahme überhaupt konstituiert, zeigt das sehr hohe fotografische Können der Künstlerin. Welches sich auch in den Arbeiten zu der Serie „Im Bau“ zeigt, indem sie – gleich dem Wortspiel ihres Titels – Räume genauso wie Prozesse „im Bau“ fotografisch wie theatralisch inszeniert.

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